23. Februar 2023

Wichtige Entscheidungen des BAG zum Urlaubsrecht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in zwei aktuellen Entscheidungen seine Rechtsprechung zum Urlaubsrecht weiter konkretisiert. Arbeitergeber sollten mit beiden Entscheidungsinhalten vertraut sein.


 

 

1. Verfall des Jahresurlaubes bei längerer Krankheit des Arbeitnehmers

Der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er aus krankheitsbedingten Gründen an der Inanspruchnahme seines Urlaubs gehindert war, erlischt regelmäßig nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub zu nehmen.


Grundsätzlich erlöschen Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (31.03. des Folgejahres), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor durch Erfüllung seiner Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Konnte der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen, war es nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG so, dass die gesetzlichen Urlaubsansprüche – bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit – ohne Weiteres mit Ablauf des 31.03. des zweiten Folgejahres (15-Monatsfrist) verfallen waren. Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG Urteil vom 20.12.2022 – Az. 9 AZR 245/19) nun in Umsetzung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) weiterentwickelt.

Nach der Entscheidung des BAG kommt es entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr noch gearbeitet hat. Danach verfällt der Urlaubsanspruch mit Ablauf der 15-Monatsfrist weiterhin dann, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten. Für diesen Fall kommt ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, weil eine Mitwirkung des Arbeitgebers nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätte beitragen können.

Anders verhält es sich jedoch, wenn der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr tatsächlich noch gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden ist. Bei dieser Fallkonstellation verfällt der Urlaubsanspruch nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen.

2. Verjährung von Urlaubsansprüchen / Urlaubsabgeltungsansprüchen

Nach einem weiteren aktuellen Urteil des BAG (BAG vom 20.12.2022, Az. 9 AZR 266/20) können Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern ohne Hinweis des Arbeitgebers nicht einfach verjähren. Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt der gesetzlichen Verjährung. Allerdings beginnt die 3-jährige Verjährungsfrist nach dem Urteil des BAG erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Der Arbeitgeber hatte im vom BAG entschiedenen Fall die Arbeitnehmerin nicht durch Erfüllung seiner Aufforderungs- und Hinweispflichten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres noch eines zulässigen Übertragungszeitraums, noch konnte der Arbeitgeber mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von 3 Jahren verjährt.

Andes zu beurteilen ist der Fall, wenn es um die Abgeltung von Urlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geht. Denn der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt seinerseits der Verjährung. Die 3-jährige Verjährungsfrist beginnt in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit ankommt. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet eine Zäsur. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt (BAG Urteil vom 31.01.2023, Az. 9 AZR 456/20).

 

Fazit:

Durch die neuen Entscheidungen des BAG kommt der grundsätzlich bestehenden Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer auf seinen Resturlaub hinzuweisen, noch größere Bedeutung zu. Den Arbeitgebern ist deshalb dringend angeraten, ihrer Hinweispflicht nachzukommen. Der Hinweis durch den Arbeitgeber sollte schriftlich erfolgen und im Einzelfall auch nachgewiesen werden können.

Spätestens im September / Oktober des laufenden Jahres (bestenfalls noch früher) sollte der Arbeitgeber sich also einen Überblick über die offenen Urlaubsansprüche der Mitarbeiter verschaffen. Sofern einzelne Mitarbeiter ihren vollen Jahresurlaub noch nicht eingereicht haben, sollten die betreffenden Mitarbeiter auf die Anzahl der offenen Urlaubstage hingewiesen werden. Der Arbeitgeber sollte den betreffenden Mitarbeitern mitteilen, wann sie diese Urlaubstage spätestens nehmen müssen und wann der Urlaub verfällt.

Haben Sie Fragen? Unsere Fachanwälte im Arbeitsrecht beraten Sie gerne.

  Achim Schneider

     Christian Ache 

       Bernd Böhm