15. Dezember 2023

Achtung Überschuldung! Der unerkannte Insolvenzgrund – Änderung der Rechtslage zum 01.01.2024

Zum 01.01.2024 gilt für Unternehmen wieder der Planungszeitraum von 12 Monaten hinsichtlich der Fortbestehensprogronse bei Überschuldung. Was Sie dazu wissen müssen:


UWW Neuigkeiten Teaser

Achtung Überschuldung! Der unerkannte Insolvenzgrund

Geschäftsführer sind verpflichtet, beim Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Wer hiergegen verstößt, setzt sich erheblicher persönlicher Haftung aus. Gerade die Überschuldung wird dabei oft stiefmütterlich behandelt und verkannt. Hinzu kommt, dass zum Jahreswechsel eine Änderung der Rechtslage eintritt, die zahlreiche Geschäftsführer zum Handeln veranlassen sollte. Konkret verlängert sich wieder der sog. Prognosezeitraum für die Fortbestehensprognose von vier auf zwölf Monate und gleichzeitig verkürzt sich wieder die Höchstfrist für die rechtzeitige Insolvenzantragstellung von 8 auf 6 Wochen. Aber was bedeutet das genau? Lesen Sie hierzu das Interview mit unserem Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht Markus Benner.


Überschuldung, Fortbestehensprognose, Prognosezeitraumverlängerung, Antragsfristverkürzung, was steckt dahinter und was ändert sich zum Jahreswechsel? Wer ist nach der Änderung wann und wie insolvenzantragspflichtig und wer nicht? Wir haben nachgefragt bei unserem Insolvenzrechtsexperten Rechtsanwalt Markus Benner:

 

UWW:

Wer ist wann überhaupt zur Insolvenzantragstellung verpflichtet?

RA Benner:

Geregelt ist die Insolvenzantragspflicht in § 15a InsO. Hiernach sind insbesondere die Geschäftsführer juristischer Personen beim Vorliegen von einem der verpflichtenden Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung gehalten, ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen.

 

UWW:

Wann ist ein Unternehmen zahlungsunfähig?

RA Benner:

Zahlungsunfähig ist ein Unternehmen, wenn es nicht dazu in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Wann dies tatsächlich der Fall ist, definiert das Gesetz nicht näher. Es gibt aber umfangreiche Rechtsprechung hierzu. Ausgangspunkt ist immer ein sog. stichtagsbezogener Liquiditätsstatus. Decken die am Prüfungstag verfügbaren liquiden Mittel die fälligen und ernstlich eingeforderten Verbindlichkeiten zu weniger als 90%, dann liegt regelmäßig Zahlungsunfähigkeit vor. Es sei denn, die Liquiditätslücke lässt sich binnen drei Wochen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schließen.

 

UWW:

Und was versteht man demgegenüber unter Überschuldung?

RA Benner:

Überschuldet ist ein Unternehmen, wenn sein Vermögen die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist im Prognosezeitraum überwiegend wahrscheinlich. Aufzustellen ist mithin eine sog. Überschuldungsbilanz. Diese ist nicht identisch mit Handels- oder Steuerbilanz, sondern folgt teilweise eigenen Regeln. Im Unterschied zur Zahlungsunfähigkeit geht es hier also nicht um die Fähigkeit zur pünktlichen Bezahlung fälliger Verbindlichkeiten, sondern es wird quasi umfassender geprüft, ob die Schulden höher ausfallen als die gegenüberstehenden Vermögenswerte.

 

UWW:

Muss jedes rechnerisch überschuldete Unternehmen Insolvenzantrag stellen?

RA Benner:       

Nein, zum Glück nicht. Der insolvenzrechtliche Überschuldungsbegriff ist zweistufig. Selbst wenn die Schulden eines Unternehmens höher ausfallen als dessen Vermögen, dann besteht solange keine Antragspflicht wegen Überschuldung, wie das Unternehmen noch eine sog. positive Fortbestehensprognose besitzt. Und genau hier setzt jetzt der Gesetzgeber mit der vorgenommenen Änderung an. Der Prognosezeitraum für die Fortbestehensprognose ist befristet bis Ende 2023 von zuletzt zwölf auf nur noch vier Monate verkürzt worden. Ab dem 01.01.2024 gilt also wieder der Planungszeitraum von 12 Monaten.

 

UWW:                

Hat ein rechnerisch überschuldetes Unternehmen eine positive Fortbestehensprognose, wenn es irgendwie schafft, die nächsten zwölf Monate zu überstehen?

RA Benner:

Nein, so einfach ist es leider nicht. Selbst wenn es ein rechnerisch überschuldetes Unternehmen irgendwie schafft, bis zur Insolvenz noch zwölf oder sogar noch mehr Monate weiter zu wirtschaften, dann kann der Geschäftsführer hinterher nicht sagen seht her, wir haben es länger als zwölf Monate geschafft und hatten deshalb bei Eintritt der rechnerischen Überschuldung eine positive Fortbestehensprognose. Die Anforderungen sind wesentlich höher.

 

UWW:

Was genau ist eine positive Fortbestehensprognose?

RA Benner:

Wie das Wort Prognose schon sagt, handelt es sich hierbei um einen Blick in die Zukunft. Den muss man (spätestens) dann anstellen, wenn die rechnerische Überschuldung eintritt. Das Kernelement einer positiven Fortbestehensprognose ist die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit im Prognosezeitraum.

Aufstellen kann eine solche Prognose im Prinzip jeder, also auch jeder Geschäftsführer selbst. Aber hier ist Vorsicht geboten. Meine Praxiserfahrung als Insolvenzverwalter zeigt mir, dass in den allermeisten Fällen entsprechende Prognosen entweder nicht angestellt werden oder dass diese unter gravierenden handwerklichen Fehlern leiden. Und dann sind sie nichts wert und der Geschäftsführer haftet in existenzgefährdender Weise persönlich.

 

UWW:

Und wo bekommt man als Geschäftsführer eine positive Fortbestehensprognose her?

RA Benner:

Es ist daher jedem Geschäftsführer zu empfehlen, sich bei der Insolvenzreifeprüfung und insbesondere dem Aufstellen von Fortbestehensprognosen qualifizierte fachliche Unterstützung zu besorgen. Am Besten durch einen Fachanwalt für Insolvenzrecht oder einen Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht. Denn der Teufel steckt im Detail und es gibt zahlreiche Fehlerquellen. Wer sich hierbei qualifiziert beraten lässt, der ist auf der sicheren Seite. Denn selbst wenn dem Berater Fehler unterlaufen, ist das dann nicht das Verschulden des Geschäftsführers, sondern salopp gesagt das Problem des Beraters.

Ich unterstütze Geschäftsführer in der Beratungspraxis bei allen Fragen rund um die Insolvenzreifeprüfung, Erstellung, Pflege und fortlaufende Überwachung einer Fortbestehensprognose nebst zugehöriger Planungsrechnung.

 

UWW:

Woher wissen Sie denn, wie es einem Unternehmen in den nächsten 12 Monaten gehen wird? Wie erstellen Sie die Fortbestehensprognose?

RA Benner:

Keiner von uns weiß, was die Zukunft bringt. Jede Prognose ist ein Blick in die Glaskugel. Und je weiter der Blick in die Zukunft reicht, umso trüber wird das Bild. Das gilt erst recht bei einem Planungszeitraum von ab dem 01.01.2024 wieder 12 Monaten.  Ausgehend von der aktuellen Lage muss eine Liquiditätsplanung als Kernelement der Fortbestehensprognose aufgestellt werden. Worauf dabei zu achten ist, wie man formal an diese Aufgabe am Besten herangeht und welche Dokumentationsschritte zu beachten sind, all diese Punkte gehe ich mit meinem Mandanten in der Beratung durch. Je nach Größe und Zuschnitt eines Unternehmens kann sich die Beratung dabei auf eine reine Anleitung und Überwachung der Buchhaltungsabteilung oder des Geschäftsführers beschränken oder weitergehende Unterstützungsmaßnahmen beinhalten.

 

UWW:

Was, wenn die Prognose negativ ausfällt? Wie schnell müssen Geschäftsführer bei der Insolvenzantragstellung reagieren?

RA Benner:       

Wenn ein antragspflichtiges Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist, müssen die Geschäftsführer „ohne schuldhaftes Zögern“ Insolvenzantrag stellen. Nur so können sie eine Strafbarkeit oder persönliche Haftung wegen Insolvenzverschleppung vermeiden. Bei Zahlungsunfähigkeit gilt eine Höchstfrist von 3 Wochen für die Antragstellung. Bei der Überschuldung waren es zuletzt 8 Wochen und zukünftig gelten hier jetzt 6 Wochen. Diese Höchstfristen sollen den Geschäftsführern nach Eintritt des Insolvenzgrundes die Möglichkeit eröffnen, noch rasch Sanierungsmaßnahmen zur Behebung des Insolvenzgrundes einzuleiten. Das bedeutet aber auch, dass man die Fristen dann eben nicht bis zum letzten Tag ausschöpfen darf, wenn man überhaupt keine Sanierungsmaßnahmen einleitet oder solche offensichtlich ungeeignet sind, den vorliegenden Insolvenzgrund zu beseitigen.

 

UWW:

Was würden Sie Geschäftsführern im Umgang mit den vielen Fragen rund um die Insolvenzantragspflicht raten?

RA Benner:

Viele Unternehmen haben sich in den zurückliegenden Jahren mehr oder weniger im Dauerkrisenmodus befunden und aktuell trüben sich die Geschäftsaussichten bei vielen Unternehmen weiter ein, da das gesamtwirtschaftliche Umfeld rauer geworden ist. Die aktuellen Haushaltsprobleme auf Bundeseben und die anstehenden Kürzungen bei vielen staatlichen Ausgaben- und Unterstützungsprogrammen lassen die Planbarkeit der Zukunft wieder schwieriger werden. Da keiner von uns weiß, wann es wieder besser, ruhiger, planbarer wird, macht es wenig Sinn auf diesen Zeitpunkt zu hoffen. Wer sein Unternehmen bislang noch nicht insolvenzrechtlich durchleuchtet hat, sollte damit nicht länger warten und sich jetzt professionelle Unterstützung holen. Viele unerkannte Probleme und Risiken können mit dem Faktor Zeit am besten in den Griff bekommen werden.

Daher nicht länger warten, jetzt handeln und qualifizierte fachliche Unterstützung an Bord holen. Am Besten mit Unterstützung unseres Hauses. Denn Krisen-, Sanierungs- und Restrukturierungsberatung ist seit über 30 Jahren eine Kernkompetenz von UWW.

 

UWW:

Vielen Dank Herr Benner!

 

Rechtsanwalt Markus Benner ist Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht und wird regelmäßig von Gerichten zum Sachverständigen und Insolvenzverwalter in Unternehmensinsolvenzverfahren bestellt. Als zertifizierter Restrukturierungs- und Sanierungsexperte (RWS) ist er zudem auch im Bereich der insolvenznahmen Sanierung oder der präventiven Krisenberatung tätig.