Bereits am 2. Oktober 2015 hatte der Europarat in Straßburg eine Resolution verabschiedet, wonach die Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschlossen, dass das sogenannte Wechselmodell als künftiges Betreuungsmodell für Kinder getrenntlebender Eltern der Gestaltungsauftrag für die Zukunft sein soll. Ausnahmen vom Wechselmodell sollen nur gemacht werden, wenn das Kindeswohl in Gefahr sei.
In Deutschland ist zwar noch immer der Regelfall: „Einer betreut, einer zahlt“ (sogenanntes „Residenzmodell“). Die Kinder getrenntlebender Eltern werden demzufolge in der überwiegenden Anzahl der Fälle von einem Elternteil betreut, während der andere Elternteil beispielsweise alle zwei Wochen am Wochenende und einen Tag innerhalb der Woche die Betreuung der Kinder übernimmt.
Die Entscheidung für eine Betreuung der Kinder durch beide Elternteile zu gleichen Teilen nimmt jedoch in Deutschland immer mehr zu.
Aber auch wenn die genau hälftige Betreuung sich nicht umsetzen lässt, gibt es mehr und mehr die Konstellation, dass der Elternteil, bei dem die Kinder nicht leben, weit mehr als nur vierzehntägig die Kinder betreut. Um diese Fälle geht es bei der Unterhaltsreform.
Nach dem derzeit noch geltenden Gesetz macht es für die Unterhaltspflicht des mitbetreuenden Elternteiles - oft der Vater - keinen Unterschied, ob er sich weit mehr als nur vierzehntätig um sein Kind kümmert. Dies soll jetzt gesetzlich geändert werden.
In den Fällen wesentlicher, aber nicht genau hälftiger Betreuungsleistung des anderen Elternteiles soll erstmals klar geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Betreuungsleistung des mitbetreuenden Elternteiles zur Senkung der Unterhaltslast führen kann.
Von einer Betreuung im asymmetrischen Wechselmodell soll nach dem Eckpunktepapier ausgegangen werden, wenn der Betreuungsanteil des mitbetreuenden Elternteiles mehr als 29 % beträgt. Ab dieser Schwelle soll die vorgeschlagene Neuregelung greifen.
Das heißt, es gilt zunächst zu prüfen, ob der Betreuungsanteil des mitbetreuenden Elternteiles über der Schwelle von 29 % liegt.
Der Betreuungsanteil soll nach der Anzahl der Übernachtungen des Kindes beim mitbetreuenden Elternteil pro Jahr gemessen werden. Dabei wird berücksichtigt, dass die Kinder bereits die Hälfte der gesetzlichen Schulferien von 14 Wochen jährlich, nämlich 49 Nächte während sieben Wochen bei dem betreffenden Elternteil verbringt.
Beispielsweise soll der prozentuale Betreuungsanteil wie folgt errechnet werden:
Aufteilung der Betreuung zwischen den Ferien |
Anzahl der Nächte zusätzlich zu den Ferien |
Prozentualer Betreuungsanteil |
Jedes 2. Wochenende von Freitag bis Sonntag und zwei Nächte in der dazwischenliegenden Woche |
19 Wochenenden á 2 Nächte + 19 Wochen á 2 Nächte = 76 Nächte |
49 + 76 = 125 / 365 = 0,342 oder 34 % |
Jede 2. Woche Freitag bis Donnerstag |
19 Wochen á 6 Nächte = 114 Nächte |
49 + 114 = 163 / 365 = 0,446 oder 45 % |
Nun soll wie folgt gerechnet werden:
- Schritt 1: der Kindesbedarf wird aus dem addierten Elterneinkommen ermittelt,
- Schritt 2: vom Kindesbedarf wird eine Pauschale von 15 % abgezogen,
- Schritt 3: sodann wird der Haftungsanteil jedes Elternteiles nach Abzug des angemessenen Selbstbehaltes ermittelt,
- Schritt 4: der Haftungsanteil wird mit einem pauschalen Betreuungsanteil addiert und durch 2 geteilt,
- Schritt 5: das Ergebnis aus Schritt 4 wird mit dem Ergebnis aus Schritt 2 multipliziert,
- Schritt 6: von dem aus Schritt 5 ermittelten Betrag wird das hälftige Kindergeld abgezogen.
Das Ergebnis ist der Betrag, den der andere Elternteil (also der überwiegend betreuende Elternteil) noch erhält.
Es soll künftig ab der Schwelle von 29 % bis knapp unter 50 % von der Betreuung im asymmetrischen Wechselmodell ausgegangen werden und die vorstehende Berechnung greifen.
Im Rahmen der Berechnung soll der konkrete prozentuale Betreuungsanteil dann wiederum keine Rolle mehr spielen, sondern eine Pauschale von 33 % in Ansatz gebracht werden, damit ein Elternstreit über die exakte Höhe der Betreuungsanteile vermieden wird.
Damit soll im asymmetrischen Wechselmodell künftig merklich Berücksichtigung finden, dass der mitbetreuende Elternteil sich substantiell in die Betreuung einbringt.
Beim paritätischen Wechselmodell soll es bei der bereits in der Rechtsprechung gefundenen und praktizierten Lösung der Kindesunterhaltsberechnung bleiben.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit das geplante Reformvorhaben umgesetzt wird.
Unsere Fachanwältinnen und Fachanwälte für Familienrecht beraten Sie gerne!
Angelika Hamerak
Dr. Andrea Schmidt
Alexandra Pfordt
Achim Schneider