8. April 2020

Fragen und Antworten zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ist jetzt die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt worden (Art. 1, § 1 COVInsAG). Diese Regelung wirft zahlreiche Fragen auf. Wir haben die Antworten für Sie.


Insolvenzrechtliche Beratung sowie Fragen der Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen sind Tätigkeitsschwerpunkte unserer Kanzlei. Wir haben Herrn Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht Markus Benner aus unserem Insolvenzteam einige Fragen zur Gesetzesänderung gestellt.

Frage: 

Mit Rückwirkung zum 1. März ist die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt worden. Wen betrifft diese Regelung?

RA Benner:   

Unmittelbar betroffen sind diejenigen, welche nach § 15a der Insolvenzordnung und nach § 42 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches in ihrer Eigenschaft als Leitungsorgan verpflichtet sind, beim Vorliegen eines Insolvenzgrundes unverzüglich einen Insolvenzantrag zu stellen. Also insbesondere die Geschäftsführer einer GmbH oder UG, der meisten GmbH & Co. KG´s sowie Vereinsvorstände.

 

Frage:    

Unter welchen Voraussetzungen sind bspw. Geschäftsführer einer GmbH überhaupt verpflichtet, für das Unternehmen einen Insolvenzantrag zu stellen?

RA Benner:     

Verpflichtende Insolvenzgründe sind die Zahlungsunfähigkeit sowie die Überschuldung. Die Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich danach, ob das Unternehmen dazu in der Lage ist, seine aktuell fälligen Verbindlichkeiten aus seinen liquiden Mitteln begleichen zu können. Die Überschuldung nimmt demgegenüber die gesamte Vermögenslage eines Unternehmens in den Blick. Wenn das Vermögen eines Unternehmens die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr abdeckt und wenn gleichzeitig keine positive Fortbestehensprognose besteht, liegt der Insolvenzgrund der Überschuldung vor.

 

Frage:         

Und wegen Corona muss jetzt kein Geschäftsführer mehr einen Insolvenzantrag stellen?

RA Benner:     

Die gesetzliche Regelung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist differenzierter. Wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, greift die Aussetzung nicht. Mit anderen Worten: wenn schon vor den Auswirkungen von Corona ein Insolvenzgrund vorlag, wird die aus diesem Grund bestehende Insolvenzantragspflicht grds. nicht deshalb beseitigt, dass nunmehr die Auswirkungen von Corona die wirtschaftliche Lage noch weiter verschlechtert. Außerdem ist die Aussetzung zunächst bis zum 30. September 2020 befristet.

 

Frage:  

Was bedeutet dies konkret für Geschäftsführer? Können diese leicht selbst feststellen, ob ein Insolvenzgrund vorliegt und ob die Aussetzung einschlägig ist?

RA Benner:       

Die Insolvenzreifeprüfung ist generell eine komplexe Materie. Sowohl die Zahlungsunfähigkeit als auch die Überschuldung werden in mehreren Stufen ermittelt. Auf jeder Prüfungsstufe gilt es eine Vielzahl von rechtlichen Feinheiten zu beachten. Aus diesem Grund war die Prüfung der Insolvenzreife schon bislang ein fehleranfälliges Unterfangen. Die sachlichen Voraussetzungen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach dem COVInsAG kommen nun noch gesondert hinzu. Damit steigt zwangsläufig das Risiko, bei der Prüfung zu falschen Schlüssen zu gelangen. Wird im Einzelfall das Vorliegen eines Insolvenzgrundes fälschlich verneint oder zu Unrecht davon ausgegangen, wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie sei die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt, so setzen sich die betroffenen Geschäftsführer erheblichen Haftungsgefahren aus.

 

Frage:  

Welche Art von Haftungsrisiken bestehen bei der verspäteten Stellung eines Insolvenzantrages?

RA Benner:       

Wer bei bestehender Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages keinen oder nur einen verspäteten Antrag stellt, macht sich einerseits strafbar. Außerdem haften Geschäftsführer unter bestimmten Voraussetzungen für Zahlungen, welche trotz Insolvenzreife noch aus dem Unternehmensvermögen geleistet werden. Die wenigsten Geschäftsführer sind sich des Risikos bewusst, dass auf diese Weise schon innerhalb relativ kurzer Zeiträume existenzgefährdende Haftungsbeträge entstehen können.

 

Frage:   

Wie können sich Geschäftsführer vor diesen Haftungsrisiken schützen?

RA Benner:       

Die Einholung qualifizierten Rechtsrates durch eine mit der Spezialmaterie vertraute Person ist die beste „Versicherung“ gegen ausufernde Haftungsrisiken wegen unerkannter Insolvenzverschleppung. Hierbei gilt: je früher, desto besser. Denn mit fortschreitendem Krisenstadium reduzieren sich die Handlungsoptionen mit zunehmender Geschwindigkeit. Eine frühzeitig eingeleitete Restrukturierungsberatung kann demgegenüber sowohl Haftungsrisiken vermeiden, als auch rechtssichere Sanierungswege aufzeigen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der weiteren Regelungen des COVInsAG, welches nämlich neben der befristeten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht auch zahlreiche Regelungen enthält, welche die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen in der Corona-Krise erleichtern sollen.