31. August 2021

Deckungsanspruch in der D&O-Versicherung für Geschäftsführer bei Insolvenzverschleppungshaftung?

BGH kippt obergerichtliche Rechtsprechung und stärkt die Rechtsstellung von Geschäftsführern im Rahmen sog. D&O-Versicherungen. Problem gelöst, Folgeprobleme geschaffen!


Geschäftsführer sind nach § 15a der Insolvenzordnung verpflichtet, beim Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen. Die verspätete Insolvenzantragstellung ist strafbewehrt. Hinzu kommen meist Haftungsforderungen gegen den Geschäftsführer, welche in vielen Fällen existenzbedrohende Ausmaße annahmen können.

Geltend gemacht werden solche Haftungsforderungen regelmäßig durch den hierzu verpflichteten Insolvenzverwalter. In Insolvenzfällen bis Ende 2020 werden entsprechende Ansprüche über § 64 Satz 1 GmbHG (bei einer GmbH) oder §§ 177a, 130a II HGB (bei einer KG oder GmbH & Co. KG) begründet. Hiernach ist der Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung der Überschuldung noch geleistet werden und die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind.

Unter den Begriff der „Zahlung“ fällt dabei nicht nur bspw. das Bezahlen von Mitarbeiterlöhnen. Auch der Einzug einer Forderung auf das debitorische Bankkonto wird als „Zahlung“ gewertet; nämlich im wirtschaftlichen Ergebnis als Zahlung an die Bank. Im Gegenzug ist mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nach dem Eintritt materieller Insolvenzreife nur noch sehr wenig vereinbar.

In der Vergangenheit erwies sich für Geschäftsführer der Abschluss einer sog. D&O-Versicherung (D&O steht für Directors & Officers), mit welcher Ansprüchen aus Managerhaftung vorgebeugt werden sollte, im Nachhinein oft als trügerische Scheinsicherheit. In den Versicherungsbedingungen der betreffenden Policen (ULLA – Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten) findet sich zwar ein Passus, wonach die Versicherung vor Ansprüchen Dritter auf „Schadensersatz“ schützt. Jedoch verweigerten die Versicherungen regelmäßig die Einstandspflicht mit dem Hinweis, dass es sich bei dem Anspruch aus § 64 GmbHG und §§ 133a, 130a II HGB um solche „eigener Art“ handele und eben nicht um solche auf Schadensersatz. Und mehrere Oberlandesgerichte gaben den Versicherungen Recht.

Falsch, urteilte nun der BGH (Urteil vom 18.11.2020 – IV ZR 217/19). Der in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendete Begriff „Schadensersatz“ müsse im Interesse des regelmäßig rechtsunkundigen Versicherungsnehmers weit ausgelegt werden. Juristische Spitzfindigkeiten könnten nicht dazu führen, dass sich die Versicherungen ihrer Einstandspflicht entziehen.

Es bleibt abzuwarten, wie die Praxis auf diese Entscheidung reagieren wird. Versicherungsgesellschaften werden möglicherweise vermehrt dazu übergehen, entsprechende Haftungsansprüche explizit auszuschließen oder sich ihrer Einstandspflicht unter Berufung auf anderweitige Versicherungsregelungen zu entziehen bzw. die Regulierung in die Länge zu ziehen. Auch lohnt es sich, die Versicherungsbedingungen ganz genau unter die Lupe zu nehmen, da diese trotz der scheinbar eindeutigen Entscheidung des BGH gleichwohl im Sinne der Versicherungsgesellschaften auszulegen sein können, wie eine Entscheidung des LG Köln jüngst gezeigt hat.

Insolvenzverwalter werden im Gegenzug beim Vorliegen einer D&O-Versicherung im Interesse der Quotenverbesserung vermutlich noch stärker als bislang Ansprüche aus Geschäftsführerhaftung geltend machen und Vergleiche aus rein wirtschaftlichen Gründen kaum noch eingehen.

Trotz oder gerade wegen der Entscheidung des BGH laufen Sie als entsprechend abgesicherter Geschäftsführer daher ggf. Gefahr, zwischen die Fronten von Insolvenzverwalter und Versicherungsgesellschaft zu geraten.

D&O-Versicherungen können ein wichtiger Baustein zur Absicherung von Geschäftsführern sein. Kommt ein Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, sollten gleichwohl die Haftungsrisiken wegen Insolvenzverschleppung nicht vernachlässigt werden. Haftungsansprüche erst gar nicht entstehen zu lassen, ist sicherer und nervenschonender, als sich später mit Insolvenzverwalter und Versicherungsgesellschaft hierüber streiten zu müssen.

Welche Pflichten Sie als Geschäftsführer in der Krise eines Unternehmens haben, was Sie noch dürfen und was nicht, ist eine komplexe Spezialmaterie. Die im Zuge der Corona-Krise vorgenommene mehrfache Aussetzung und Modifizierung der Insolvenzantragspflicht sowie flankierender Regelungen haben ihren Teil dazu beigetragen, die Rechtslage weiter zu verkomplizieren, zumal auch die bisherigen Haftungsregelungen mit Wirkung zum Jahresanfang 2021 durch den neuen § 15b InsO abgelöst wurden, welcher einen in weiten Teilen eigenständigen Regelungsgehalt hat.

Die wirtschaftlichen Verwerfungen in Folge der Corona-Pandemie haben anschaulich gezeigt, dass Unternehmen gleichsam über Nacht vor existenziellen Herausforderungen stehen können. Als Geschäftsführer sollten Sie sich trotz der jüngsten Entscheidung des BGH nicht darauf verlassen, dass es eine D&O-Versicherung im Fall der Fälle schon richten werde.

Wirtschaftlich gute Phasen sind der beste Zeitpunkt, um Ihr Unternehmen einmal kritisch zu durchleuchten. Bei frühzeitiger Prüfung besteht maximaler Gestaltungsspielraum für rechtssichere Optimierungen. Spätestens beim Eintritt erster Krisenanzeichen ist dann fachkundige Beratung unerlässlich, um größeren Schaden zu vermeiden und um alle Sanierungschancen nutzen zu können.

Wenn Sie sich als Geschäftsführer oder Gesellschafter eines Unternehmens unschlüssig sind, ob Ihr Unternehmen rechtlich optimal und krisenfest aufgestellt ist, empfehlen wir ein Gespräch mit unserem langjährig erfahrenen Insolvenzverwalter, Sanierungsexperten und Fachanwalt für Insolvenzrecht Markus Benner. Gerne helfen wir Ihnen sowohl bei der vorausschauenden rechtlichen Krisenprävention, als auch bei allen akuten insolvenzrechtlichen Fragestellungen und erarbeiten gemeinsam mit Ihnen Optimierungs- und Sanierungskonzepte für Ihr Unternehmen. Und wenn es um spezifisch versicherungsrechtliche Fragestellungen zu Deckungsumfang und  Schadenregulierung geht, können Sie auf das fundierte Wissen und die Unterstützung unseres Kollegen und Fachanwaltes für Versicherungsrecht Oliver Jockel bauen.