18. April 2023

EuGH bejaht Schadensersatzanspruch bei Thermofenstern

Wann ein Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit manipulierten Abgaswerten von Fahrzeugen entsteht erfahren Sie hier!


In Debatten um den Abgasskandal fällt bei Abschalteinrichtungen häufig der Begriff „Thermofenster“. Dabei wurde aufgedeckt, dass Fahrzeughersteller mit verschiedenen Tricks versuchen, die Abgaswerte der Autos zu manipulieren. Steht das Fahrzeug auf dem Prüfstand, so hält es die gesetzlichen Emissionswerte ein. Auf der Straße hingegen, pustet es die Schadstoffe nahezu ungefiltert heraus. Der EuGH hat jüngst entschieden, dass dem Käufer eines Fahrzeugs mit einer solchen Einrichtung ein Schadensersatzanspruch zustehen kann.


Wie funktioniert das Thermofenster?

Die Funktion des Thermofensters ist simpel:

Eine Abschalteinrichtung sorgt dafür, dass die Abgasreinigung in Diesel-Fahrzeugen manipuliert wird, indem es sich an der Außentemperatur orientiert. Liegt die Umgebungstemperatur zwischen 20 und 30 Grad, werden die Abgase vollumfänglich gereinigt. Dazu werden die Abgase nach der ersten Verbrennung erneut in den Motor zurückgeführt. Die umwelt- und gesundheitsschädlichen Emissionen werden durch die weitere Verbrennung reduziert. Nur durch diese Abgasrückführung können die gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxide eingehalten werden. Sofern das Fahrzeug jedoch eine Außentemperatur außerhalb dieses Temperaturfensters misst, wird die Abgasreinigung mittels technischen Befehles gedrosselt oder gar gänzlich abgeschaltet. Dies führt zu einer nahezu ungefilterten Freisetzung der Schadstoffe über den Auspuff.

 

EuGH: Schadensersatz für Käufer von "Thermofenster"-Fahrzeugen

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 21.03.2023 (Az.: C-100/21) entschieden, dass der Käufer eines Kraftfahrzeuges, welches mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, gegen den Fahrzeughersteller einen Anspruch auf Schadenersatz hat, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist.

Dieser Entscheidung liegt ein Verfahren am Landgericht Ravensburg zugrunde. Das Gericht stufte in einer vorläufigen Einschätzung das „Thermofenster“ als unzulässige Abschalteinrichtung ein und prüft aktuell eine deliktische Haftung von Mercedes-Benz wegen fahrlässigen Handelns.

Hierzu bat das Landgericht Ravensburg den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu klären, ob die Unionsregelung über die EG-Typgenehmigung auch die Interessen eines individuellen Erwerbers schützt und ob der Käufer einen Ersatzanspruch gegen den Hersteller hat. Dies wurde vom EuGH bejaht.

Zu der Berechnung des Schadensersatzes äußerten die Richter des EuGH, dass es sich hierbei um eine Sache der Mitgliedstaaten handele, der Ersatz müsse jedoch gemäß dem Effektivitätsgrundsatz zu dem erlittenen Schaden in einem angemessenen Verhältnis stehen. Deshalb muss das Landgericht nun prüfen, inwieweit die Anrechnung des Nutzungsvorteils auf die Erstattung des Kaufpreises für den Käufer eine angemessene Entschädigung gewährleisten würde.

Ist mein Fahrzeug ebenfalls betroffen?

Das Thermofenster ist als Abschalteinrichtung in Modellen verschiedener Marken zu finden – darunter bspw. Opel und Volvo. Daneben sind besonders bekannte deutsche Autobauer Daimler und Volkswagen. Aber auch in zahlreichen Mercedes-Fahrzeugen ist das Thermofenster von Beginn an ein fester Bestandteil. Die Manipulation der Abgasreinigung ist damit in Bezug auf Fahrzeugmodelle sowie Hersteller sehr breit gestreut. Es bedarf stets einer Einzelfallprüfung, ob Ihr Fahrzeug ebenfalls von einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen ist.

 

Fazit:

Die Entscheidung des EuGH leistet einen elementaren Schritt für den Verbraucherschutz. Die Richter betonen die Bedeutung der Einhaltung von Umweltstandards und verpflichten die Hersteller dazu, Verbrauchern eine angemessene Entschädigung für Schäden zu zahlen, die durch den Einsatz von unzulässigen Manipulationsgeräten verursacht wurden. Dies stärkt das Vertrauen der Verbraucher in den europäischen Binnenmarkt und unterstreicht die Bedeutung von fairem Wettbewerb und Umweltschutz in der Automobilindustrie.

Sie möchten wissen, ob auch Ihr Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält und welche Ansprüche Sie geltend machen können?

Wir unterstützen Sie gerne. Sprechen Sie uns an.

 

Jakob Armbrüster

 

Christopher H. P. Haas